"Opi überholt Sie."

Einen Weg bewusst gehen und erleben - mit my selbstbewusst gesund ans Ziel.

"Welchen Weg wir auch gehen - es kommt viel mehr darauf an, wie wir ihn erleben, was und wem wir begegnen, was wir spüren und wie wir an unserem Ziel ankommen. Wer schnell sein will, hört auf in der Gegenwart zu sein."

Birgit Boden

"Lauf von Laterne zu Laterne - damit du gesund wirst"

 

Was man so beim Joggen alles hören und erleben kann, ist wirklich ertaunlich. Da überholt mich ein reiferer Herr im "Eiltempo" und meint zu mir "junger" Frau, dass ich doch mal ein wenig schneller laufen müsste, damit ich gesund werde:

 

"Opi überholt Sie. Damit Sie schneller werden, müssen Sie von Laterne zu Laterne laufen". Worauf ich erwiderte: "Wer sagt, dass ich das muss?".

 

Dass ich allerdings völlig gesund bin, schien dem Herrn gar nicht in den Sinn zu kommen. Ich war - in seinen Augen - recht langsam unterwegs und hatte womöglich einen für ihn untypischen Gang, so dass er zu der Vermutung gelangt ist, ist müsste krank sein. Interessant ist auch, sich an Laternen (bei Tageslicht) orientieren zu sollen. Dann sind es doch einfach Metallgestelle, die wenig bis nichts mit der wunderbaren Natur zu tun haben. Ich weiß natürlich, was der Herr damit sagen wollte - so etwas wie "Stück für Stück schneller voran". Nur wie wichtig ist das wirklich?


Wie verwunderlich sollte es uns stimmen, wenn Langsamkeit und ein ungewöhnlicher Gang jemanden zu der Vermutung verleitet, derjenige sei krank?

Der besagte reifere Herr lief also weiter und weiter und irgendwann war er am Horizont verschwunden. Ich habe mich gefragt, wie er eigentlich sein Joggen wahrgenommen hat? Was hat er bei sich selbst bemerkt, welche Bewegungsabläufe wo in seinem Körper spürbar waren? Und wie hat er die wunderbare Natur aufgenommen? All das, was uns umgibt, was zu hören, zu sehen, zu riechen und zu fühlen ist?

 

Während ich mich bei meinem leichten Joggen, das ich gerade erst begonnen hatte, auf meine Füße, Beine, Becken, Rücken, Schultern und Gedanken einstimmte, um mich auf den Weg zu begeben, hatte ich den Herrn gar nicht heranlaufen gehört... und plötzlich diese Stimme aus dem Nichts, die meinte, ich müsste mal schneller machen. So so.... Mein Gang richtete sich darauf aus, wie ich also meinen Körper meiner Wahrnehmung nach in Einklang bringe. Was ist daran wichtig oder hilfreich? Nun - dann fühlt sich das Joggen eben leicht und beschwingt an. Anders herum fühlt es sich - zumindest irgendwann - erschöpfend und anstrengend an.

 

Ich habe die kalte Luft an meinen Händen gespürt und dabei einfach mal die Finger gestreckt und wieder zur Faust geballt... immer wieder, bis sie warm waren. Ich genoss die Frühlingssonne in meinem Gesicht und ich lauschte den Vögeln. Da war sogar das Summen der Hummeln zu hören. Oh - ich liebe Hummeln! Sie faszinieren mich immer wieder - das Wunder der Natur! Denn nach wissenschaftlichen Berechnungen dürfte es gar nicht möglich sein, dass eine Hummel fliegt, weil der Körper und die Flügel gemäß aerodynamischer Erkenntnisse nicht die Vorausssetzungen haben, um fliegen zu können. Und doch fliegt sie, weil sie sonst nicht überleben kann.

 

Nun wieder zurück zu mir: Ich verspürte, wie ich die Füße Schritt für Schritt aufsetze und abrolle, die Knie leicht gebeugt halte, um sie zu entlasten und das Becken leicht gekippt führte, damit ich einen geraden Rücken hatte. Die Schultern und Arme waren ganz locker und schwingen leicht mit. Und jetzt kommt ein ganz entscheidender Punkt: der Atem. Mit jedem Schritt war ich bewusst mit meinem Atem verbunden: tief einatmen und lang ausatmen. Jede Bewegung richtete sich darauf aus. Dieser Fokus auf den Atem bewirkt, dass man sich genau in dem Maß bewegt, wie es dem Körper und Geist gut tut. Nun - es geht hier nicht um Wettkämpfe, in denen man darauf ausgerichtet ist, wirklich über diese Grenzen hinauszugehen, weil man ein Sieger sein will (und dadurch oft leider zum "Verlierer" wird). Hier geht es darum, wie man grundsätzlich im Einklag mit sich leben und sich bewegen kann.

 

Je mehr ich also mit mir und der Natur verschmolzen war, desto leichter erlebte ich meinen Weg. Meine Tour dauerte laut Uhr gute 30 Minuten - gefühlt waren es wunderbare energievolle 60 Minuten.

Wie bedeutend ist also die Schnelligkeit im Vergleich zum Erlebnis? Und welche Energie geschieht, welche bleibt?

Als ich wieder Zuhause ankam, ging ich noch beschwingt vier Etagen zu Fuß die Treppe hoch. Ich freute mich auf mein Frühstück und war noch voller Energie, um mein Obst zu schnippeln.

Ob der reifere Herr auch so beschwingt bei sich und seinem Zuhause angekommen ist, weiß ich natürlich nicht. Es ist gut möglich, dass es ihm wichtig war, dann völlig k.o. zu sein, weil auch das zu einem Wohlbefinden beitragen kann. Anspannung und Entspannung - jeder, wie er meint, dass es ihm gut tut.

 

Welches Erlebnis nimmt man mit, welches bleibt?

Ist Ihnen schon mal ein Mensch beim Joggen mit einem Lächeln im Gesicht begegnet?

Also mir nicht. Ich sehe immer verkniffene, genervte, angestrengte, traurige oder verbissene Gesichter. Ist das der Sinn dieser Bewegung?

 

Wie lässt sich es ermöglichen, auch das Joggen so zu erleben, dass Fitness, Freude und bewusste Wahrnehmung im Einklang sind?

 

Wie ist es möglich, aus dem Antrieb "ich muss mich anstrengen, auspowern oder gar bis an den Rand meiner Kräfte kämpfen" in eine Motivation zu gelangen, die fröhlich, gelassen und energievoll stimmt?


Die Natur zeigt uns einen wundervollen Weg!

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